Weißt du, ich wurde groß damit, zu hoffen, dass im nächsten Moment alles wieder in Ordnung ist.
Das es ok ist, war meine einzige Hoffnung, mein einziger Wunsch.
Wenn ich nichts ändern kann, keine Antworten weiß und ein kleines Kind in egal welchem Alter bin,
welche Hoffnung hab ich dann?
Ich wünschte mir kein Pferd, kein Klavier; ich hatte nichtmal einen Wunsch, was ich mal werden wollte.
Was ich wollte war unwichtig. Es galt nicht. Was galt, war nur eines:
Produziere keinen Lärm, keine Probleme. Erledige das, was du tun musst, schneller und besser als du kannst. Am besten machst du alles andere auch gleich mit, bevor ihr auffällt, dass du dies ja auch noch tun könntest. Stell keine Fragen und merk dir alles, was sie gesagt hat.
Entschuldige dich, auch wenn du weißt, dass sie deine Entschuldigung nicht interessiert, weil sie ihr nicht nützt ("Deine Entschuldigung hilft mir jetzt auch nicht mehr!") und sie dich nur noch mehr anschreit, weil du weinen musst, weil du es ungerecht findest, dass sie keine Gnade zeigt, obwohl es dir doch ehrlich leid tut.
Weine nicht! Niemals! Und wenn doch, so geh schnell aufs Klo und hör sofort auf zu weinen, damit sie nicht sieht, dass du geweint hast. Sei stark.
Sei verdammt nochmal stark!
Ich habe keine Hobbies. Keine näheren oder gar besten Freunde. Ich hatte nie welche.
Es gibt niemanden, den ich anrufen würde, um zu reden. Es gibt auch niemanden, der mich anruft, um zu reden.
Ich verbrachte meine Kindheit damit, stark zu sein, alles zu tun, was sie von mir wollte. Für sie da zu sein. Weil sie mich dazu zwang.
Irgendwann wurde der Zwang normal. Ich wurde so, wie sie mich immer haben wollte.
Doch als ich so war, da wollte sie mich nicht mehr so.
Was sollte ich tun? Hoffen. Hoffen darauf, dass wenn ich die Treppe wieder runterkomme, weil ich seit über einem Tag nichts gegessen habe, weil ich mich nicht traute, ihr in die Augen sehen zu müssen und ihren Zorn auf mich zu sehen, alles wieder in Ordnung ist.
Sie nicht mehr zornig ist. Mich nicht anschreit.
Es dauerte Jahre, bis ich gelernt hatte.
Ich kann im Haus sein, wie ein Schatten. Meine Anwesenheit merkte man nur durch das Spülen der Toilette und aufgrund des Fehlens von Essen im Kühlschrank. Aber Hunger lässt sich abstellen.
Es gibt einen Grund, warum ich bin, wie ich bin.
Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis ich wusste, dass ich auch anders sein kann.
Das ich fröhlich und ohne Angst sein kann.
Alles begann mit einem Gedanken: "Welch ein schöner Moment"
und der Hoffnung, dass eines Tages alles wieder in Ordnung ist, wenn ich die Treppe herunterkomme.
Ich schwebe zwischen Vergessen und doch nicht Vergessenem.
Und
Freiheiten haben ist nicht frei sein.
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